Pressemitteilung des Jugendrings vom 14.03.2023

Letzte Woche Sonntag ist der Sprecher einer unserer Mitgliedsorganisationen Opfer eines rassistischen Vorfalls geworden. Als Dachverband der Braunschweiger Jugendverbände und weiterer Träger von Jugendarbeit verurteilen wir diesen Vorfall aufs Schärfste.

Als Atakan Koçtürk, Sprecher des Stadtschüler*innenrates Braunschweig, am Wochenende in den von der Stadt Braunschweig zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten der Schüler*innen-Vertretung dabei war, an einem Antrag für die kommende Schulausschusssitzung zu arbeiten, wurde er von einem Wachmann einer Sicherheitsfirma aus dem eigenen Büro geworfen, der ihm nicht glauben wollte, dass er befugt sei, sich dort aufzuhalten. Dabei wurde er mit den Worten, ein Türke könne nicht Vorsitzender des Stadtschüler*innenrates sein, rassistisch beleidigt. Die vom Wachmann hinzugezogene Polizei schien nicht an der Aufklärung des Falles interessiert zu sein. Anstatt dem Sprecher des Stadtschüler*innenrates zuzuhören und seine Angaben zu überprüfen, wurden ihm die Schlüssel abgenommen und er der Räumlichkeiten verwiesen. Bei seinem späteren Versuch auf dem Polizeirevier eine Aufklärung zu erzielen, wurde er auch dort aus den Räumlichkeiten entfernt. Mittlerweile hat sich der Sicherheitsdienst zu dem Vorfall geäußert und behauptet, eine rassistische Äußerung hätte es nicht gegeben.

Wir möchten hiermit unsere Bestürzung über diesen Vorfall zum Ausdruck bringen und uns mit Atakan Koçtürk solidarisch erklären, mit dem wir seit über einem Jahr auf vielen Ebenen wie z.B. zum Thema „Schüler*innen-Fahrkarten” eng zusammenarbeiten und den wir stets als zuverlässigen, aufrichtigen und engagierten Menschen wahrnehmen, der immer respektvoll und höflich mit anderen Menschen umgeht. Wir haben keinen Zweifel daran, dass seine Aussagen stimmen und die rassistische Beleidigung genauso stattgefunden hat, wie von ihm geschildert.

Es ist ein häufiges Problem, das Opfern von diskriminierenden Verhalten nicht geglaubt wird, wenn keine Zeugen die Angaben bestätigen können. Die Täter fühlen sich oft sicher, weil sie wissen, dass man ihnen nichts beweisen kann. Häufig findet sogar eine Täter-Opfer-Umkehr statt, wenn es Betroffene wagen, sich gegen diskriminierendes Verhalten zu wehren. So wird versucht, Opfer zu Tätern zu machen, die mit angeblichen Falschaussagen nur von einem unterstellten eigenen Fehlverhalten ablenken wollen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich viele Betroffene erst gar nicht an die Behörden oder die Öffentlichkeit wenden.

Atakan Koçtürk hat „Glück”, dass er als Sprecher des Stadtschüler*innenrates über ein breites Netzwerk und eine sehr hohe Glaubwürdigkeit verfügt, die es ihm ermöglicht, dem Erlebten nicht hilflos und ohnmächtig ausgeliefert zu sein, sodass hier zumindest die Chance besteht, dass das Verhalten des Wachmanns nicht ohne Konsequenzen bleiben wird.

Was aber ist mit den vielen Menschen, denen es anders geht, die in solchen Situationen alleine dastehen und kaum Möglichkeiten haben, sich zu wehren. Die damit verbundenen Ohnmachtserfahrungen können bei den Betroffenen schnell den Eindruck vermitteln, nichts wert zu sein und in unserer Gesellschaft nicht gehört zu werden.

Wie sollen junge Menschen, die nicht als weiß gelesen werden und für die rassistische Erfahrungen alltäglich sind, unter solchen Voraussetzungen Vertrauen in Gesellschaft, Staat und Demokratie entwickeln? Es ist schon schlimm genug, immer wieder unter fadenscheinigen Begründungen vor Diskothekentüren abgewiesen, von der Polizei kontrolliert oder von vielen respektlos behandelt oder gar beleidigt zu werden. Von betroffenen jungen Menschen wissen wir jedoch, dass es mindestens genauso schlimm ist, dass sie immer wieder als Lügner*innen dargestellt werden, wenn sie über entsprechende Erfahrung berichten, und darum kämpfen müssen, dass man ihnen glaubt.

Als Dachverband der Braunschweiger Jugendverbände vertreten wir die Interessen junger Menschen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft und sozialem Status. In dieser Rolle ist es uns wichtig, für ein gesellschaftliches Klima zu werben, in dem sich alle junge Menschen trauen können, von unangemessenen oder übergriffigen Verhalten offen zu berichten, und damit auch ernst genommen werden.

Wir appellieren daher an alle, die für eine offene und demokratische Gesellschaft stehen: Hört den Betroffenen zu, nehmt sie ernst und last es nicht zu, dass sie als Lügner*innen abgestempelt werden.